Die Magie weist Namen eine ganz besondere Macht zu: Kennst Du den Namen von jemandem oder etwas, hast du macht über ihn: Rumpelstilzchen, das sich in der Mitte durchreißt, nachdem die Prinzessin seinen Namen nennt. Odysseus, der den Zyklopen Polyphem überlistet, indem er ihm den Namen „Niemand“ nennt. Die Literatur ist voll von solchen Beispielen.
Und auch Marketing-Experten sind sich der Macht von Namen bewusst. Es ist durchaus denkbar, dass mehr Zeit und Geld in den Namen – sagen wir: eines Schokoriegels – fließt, als in die Entwicklung des Produkts.
Und auch im Alltag, im Umgang mit unseren Mitmenschen, haben Namen Macht: Sie zeichnen ein Bild des Namensträgers. Wir können Geschlecht und Herkunft ablesen (oder meinen es zumindest), oft auch den sozioökonomischen Status der Eltern. Das Alter lässt sich ungefähr abschätzen. Und – im Falle eines Charakternamens – auch der mögliche Schauplatz der Geschichte.
Und wir handeln nach diesem Bild: Wer hat noch nie „Ja, ein typischer X“ oder „sieht gar nicht wie ein Y aus“ gedacht?
Das geht so weit, dass eine Marie, eine Sophie oder ein Maximilian, ein Alexander in der Schule oft bei gleicher Leistung besser bewertet werden als Chantal, Aische oder Volkan. Und Kevin und Justin? Das sind keine Namen, sondern Diagnosen, wie einmal eine Lehrerin in einem Spiegel-Artikel verkündete. Namen haben also auch in unserem Alltag Macht, da sie das Bild formen, das wir von einem Menschen haben.
Das muss ich im Kopf behalten, wenn ich meine Figuren benenne. Dabei bin ich besonders ehrgeizig: Da ich weiß, welchen Menschen ich zeichne, will ich mit dem Namen gleich eine Geschichte erzählen und/oder Erwartungshaltungen brechen.
So habe ich etwa der Kommissarin meiner Krimireihe, die dank deutschen Vaters und koreanischer Mutter von ihren Mitmenschen meist „irgendwie asiatisch“ gelesen wird (was sie sich auch mal zunutze macht), den deutschesten Namen gegeben, den ich mir denken konnte: Katharina Klein. Katharina – einfach, weil es mein Lieblingsvorname ist. Und Klein – das klingt so herrlich nach Schrebergarten. Zwar hat sich auch noch ein verschämtes „Yong“ zwischen die beiden deutschen Teile des Namens geschoben, doch Katharina hört darauf nicht. Und die meisten Menschen um sie herum glauben, es handele sich dabei um ein Baumaterial.
Anderes Beispiel: Der Protagonist meines Romans „Brumm!“, der eines Tages seinen „inneren Panda“ entdeckt, heißt Urs Ailuro Podini: Urs ist das lateinische Wort für Bär, Ailuropoda melanoleuca ist der zoologische Name des großen Pandas. Urs ist der Panda also schon in die Wiege gelegt.
Langer Rede, kurzer Sinn: Ich verbringe viel Zeit mit dem Finden von Charakternamen – das dauert oft länger als das Schreiben des eigentlichen Profils. Aber ich glaube, dass sich die Mühe lohnt. Zumindest für mich.